Jakob Hinrichs: Hans Fallada. Der Trinker

Nicht einfach nur nacherzählt

Jakob Hinrichs verarbeitet in seiner Graphic Novel unter anderem Falladas Trinkerroman.

Fallada der trinker graphic novel

von Torsten Ehlers

An einem dieser kalten und ungemütlichen Frühlingstage gehe ich mal meinen Noch-zu-lesen-Stapel durch. „Stapel“ ist eigentlich das falsche Wort. Vielmehr trifft die Bezeichnung Turm ins Schwarze. Wie dem auch sei, ich stoße dabei auf die Graphic Novel von Jakob Hinrichs, der sich augenscheinlich dem Roman Der Trinker widmet und diesen in ein neues Medium gepackt hat. Ich weiß nicht genau, warum ich so lange gebraucht habe, um mir dieses Werk zu Gemüte zu führen. Lag es daran, dass mich Falladas Roman erschüttert hat oder eher daran, dass ich dieses Werk sehr gut fand und mir dieses Lesevergnügen nicht verderben wollte? Ich weiß es nicht, aber wenn es einer dieser Gründe war, dann waren meine Befürchtungen umsonst.

Eine weitere Befürchtung meinerseits war, wie es ja bei Adaptionen literarischer Texte häufig der Fall ist, dass hier wieder nur nacherzählt wird. Aber weit gefehlt. Hinrichs zeigt nämlich zunächst, wie Fallada seinem Aufseher im Gefängnis die Erlaubnis zum Schreiben abringen will. Dies kommt so in der Vorlage nicht vor und schon war ich gepackt.

Einblicke in Werk und Mensch
Diese Graphic Novel ist keine reine Nacherzählung. Klar liegt das Hauptaugenmerk auf Falladas Roman, aber vielmehr gibt Hinrichs Werk in Auszügen immer mal wieder einen Einblick in die Biographie von Hans Fallada. Ja, er hat wirklich im Gefängnis gesessen und ja, er hat auch Drogen jedweder Art konsumiert. Das ist kein Geheimnis. Ebenfalls gilt dies für den Umstand, dass Fallada kein einfacher Mensch gewesen sein mag. Was er aber immer war, war ein treusorgender Vater. Dies beweisen seine Briefe, die er an seine Söhne geschrieben hat, die bei Hinrichs ebenfalls Verwendung finden. Viel lässt sich hier entdecken: Bezüge zu Sachlicher Bericht über das Glück, Morphinist zu sein, Mein Vater und sein Sohn, Der Trinker werden hergestellt. Wenn man so will, stellt Hinrichs ein Medley einschlägig bekannter Werke und Briefe Falladas zusammen, mit denen man den Autor neu entdecken kann. Freunde von Romanen wie Bauern Bonzen und Bomben, Wolf unter Wölfen oder auch Wer einmal aus dem Blechnapf frisst werden hier nicht auf ihre Kosten kommen, denn vielmehr wird hier der Makel eines Menschen dargestellt und dessen Sehnsucht nach Ruhe und Frieden, die Hans Fallada im beschaulichen Carwitz für eine gewisse Zeit befriedigen konnte.

Jakob Hinrichs hat ein wunderbares Mosaik aus dem Leben Hans Falladas zusammengestellt. Er tritt damit aber auch den Beweis an, dass bei Fallada das Erlebte immer auch sehr offensichtlich einen Weg in dessen Werke gefunden hat. Dies ist kein Novum und auch kein Alleinstellungsmerkmal, denn dieses würde sicherlich uns allen so ergehen, wenn wir Texte schreiben würden. Dass für Jakob Hinrichs der Mensch hinter dem Autor im Mittelpunkt steht, macht alleine schon die Werkauswahl aus Kurzgeschichten, Romanen und auch Briefen offensichtlich. Er wollte eine weitere Facette zeigen und dies ist ihm gelungen. Die Geschichte Falladas erzählt er mit einer sehr verstörenden Farbauswahl der Bilder, die schon sehr surrealistisch anmutet, aber für den getriebenen Fallada sehr treffend ausgewählt ist. Auch das Unruhige dieser Zeit fängt Hinrichs mit der Farbauswahl wunderbar ein. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Jakob Hinrichs hier keine Nacherzählung anbietet, sondern ein eigenständiges Werk über Fallada verfasst hat, das sich gut und gerne auch in der Sekundärliteratur über diesen Autor unterbringen lassen könnte.

Jakob Hinrichs: Hans Fallada. Der Trinker. Metrolit Verlag. Berlin 2015. 160 Seiten. 25,00 €.

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