Christina Wessely: Welteis

Eine phantastische Geschichte.

Christina Wessely erzählt die Karriere der Welteislehre.

Wessely Welteis

von Torsten Ehlers

Eins vorweg: Dieses Buch von Christina Wessely ist eigentlich ein Sachbuch, aber die Geschichte dahinter ist so unglaublich und phantastisch, dass sie sich kein Autor der Welt besser hätte ausdenken können. Was mal wieder beweist, dass die Realität doch spannende Geschichten oder Ereignisse bietet.

Die Theorie der Welteislehre hier genauer zu erklären, würde den Rahmen dieses Textes sprengen und kann auch wesentlich besser im Buch nachgelesen werden. Vielleicht nur so viel: Die Welteislehre besagt, dass die meisten Planeten im All aus Eis oder Metall bestehen. Die Erde hingegen bildet hier die berühmte Ausnahme. Sie wiederrum besteht nicht aus diesen Stoffen. Ansonsten besagt sie, dass es im Universum hauptsächlich um diesen Dualismus zwischen Eis und Metall geht. Es ist verwunderlich, dass die Welteislehre solch einen Hype ausgelöst hat, denn bereits zu Hörbigers Zeiten, galt sie als obsolet. Wessely nimmt hier also eine Theorie unter die Lupe, deren Werdegang unglaublich, wenn nicht sogar unfassbar ist. Seit Ewigkeiten versucht die Menschheit das Universum zu entschlüsseln. Ginge es nach Hanns Hörbiger, seines Zeichens Ingenieur, hat er dieses Geheimnis bereits 1913 gelüftet, als er zusammen mit Philipp Fauth die Glazialkosmogonie, ein Synonym für die Welteislehre, zu Papier gebracht hat. In der damaligen Zeit mag es zunächst so gewesen sein, dass man ihm diese Theorie abgekauft hat. Ja, man könnte sagen, die Menschen wollten glauben. Oder wie ist es zu erklären, dass die Welteislehre solch einen Zulauf bekam? Viele Prominente stürzten sich auf diese Theorie und waren sogar Befürworter, zum Beispiel der Raketenspezialist Max Valier. Dieser hat sogar Physikbücher geschrieben, die sich mit einem Raketenantrieb beschäftigten, der basierend auf den physikalischen Gesetzmäßigkeiten der Welteislehre entwickelt werden sollte. Aber nicht nur er, auch Edmund Kiß, Robert Henseling und Georg Hinzpeter publizierten über die Welteislehre. Da ist es nur recht und billig, dass sich ein kluger Verleger die Rechte von sämtlichen Publikationen zu dieser Theorie sichern ließ. Otto Voigtländer verstand es, mit seinem Know-how in der Vermarktung, den Hype weiter anzufachen. Sehr zum Leidwesen des eigentlichen Erfinders, der nun mit ansehen musste, wie seine Theorie von allen Seiten auseinandergepflückt wird und sogar von der Wissenschaft widerlegt werden kann. Aber der Hype der Menschen war zu groß und auch Hörbiger bekam nicht mehr die Gelegenheit, seine Theorie weiter zu unterfüttern. Denn mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland hatte seine Theorie einen Fürsprecher in der Politik. Für seine Einrichtung des Ahnenerbes kam Heinrich Himmler diese Theorie gerade recht. Konnte er doch damit „belegen“, dass die Menschen in Untermenschen und Arier unterteilt sind. Der Arier stamme schließlich aus der Kälte und müsse damit eine Verbindung zum Welteis haben. Himmler glaubte so sehr an die Welteislehre, dass er sogar Expeditionen in die Antarktis und in den Himalaya unternehmen ließ, um sie zu beweisen. Jens Sparschuhs Roman Der Schneemensch beschäftigt sich mit dieser Thematik.

Doch Christina Wessely beschäftigt sich nicht nur damit, die reine Geschichte der Welteislehre nachzuerzählen. Vielmehr deckt sie mit ihrem Buch auch auf, wie es so weit kommen konnte, dass die Welteislehre so sehr gehypt wurde. Es ist eine Verkettung von Umständen. Da ist die politische Situation in Europa: Der aufkommende Nationalismus und Chauvinismus seien hier stellvertretend genannt. Aber auch die finanziellen Aspekte spielen eine Rolle. Der Börsencrash 1929 muss hier erwähnt werden oder auch die Inflation nach dem Ersten Weltkrieg. Alles Faktoren, die sehr aufs Gemüt der Menschen schlagen können, so dass diese sich wünschen, endlich etwas Positives zu erfahren. Da ist die Entschlüsselung der Welt doch wenigstens ein gewisses Interesse wert.

Christina Wessely legt mit diesem Buch keine öde Abhandlung einer Theorie dar. Vielmehr schafft sie es, all die gesichteten Materialen in den verschiedensten Archiven im deutschsprachigen Raum zu einem tollen Buch zusammenzutragen. Wer jetzt denkt, dass dies trockener Wissenschaftssprech ist, der vor Fachwörtern nur so wimmelt, sieht sich getäuscht. Christina Wessely nimmt den Leser mit auf eine Reise, an deren Ende die Erkenntnis kommt, dass sie keineswegs, wie bereits erwähnt, einfach nur „runtererzählt“. Vielmehr zeichnet sie ein differenziertes Bild vom Welteislehreerfinder Hanns Hörbiger. Sie wertet nicht, denn auch sie, und das ist eine Stärke des Buches, sucht nach einer Erklärung für das Phänomen der Welteislehre. Ob es dafür eine gute Erklärung gibt, sollte jeder Interessierte für sich selbst herausfinden. Allerdings sei hier noch eine Schwäche des Buches von Christina Wessely erwähnt. Ihr Buch endet mit dem Jahr 1945 und man könnte meinen, damit endet auch die Welteislehre. Dies ist so nicht ganz richtig, denn die Gesellschaft zur Förderung der Welteislehre gibt es nach wie vor; sie wurde nie aufgelöst. Ein weiterer Fakt ist, dass Hörbigers Theorie zwar widerlegt wurde, aber letztlich ist es so, dass jedes wissenschaftliche Ergebnis, auch ein negatives, der Grundstein für weitere Forschungen sind. Dennoch bleibt Wesselys Buch ein toller und schön erzählter Text, der sicher auch Nichtwissenschaftlern Spaß machen wird.

Christina Wessely: Welteis. Eine wahre Geschichte. Matthes & Seitz. Berlin 2013. 384 Seiten. 29,90 €.

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